"Die Kunst der Zurücknahme: Nuancen erkennen und das <<Ego>> im Coaching zurückstellen"
Die Nuancen im Gespräch zwischen dem Coach und dem Coachee spielen im Coaching eine herausragende Rolle. In Ihnen liegen oft die wahren Beweggründe, Bedürfnisse sowie Ängste des Coachees offenbaren, die auf den ersten Blick vielleicht verborgen bleiben. In einem erfolgreichen Coaching-Prozess sind es häufig die kleinen, kaum spürbaren Nuancen – wie Körpersprache, Sprechtempo, Wortwahl oder Pausen – die dem Coach Hinweise darauf geben, wie tief die angesprochenen Themen wirklich reichen. Sie helfen ihm, einen Raum zu schaffen, in dem der Coachee sich nicht nur gehört, sondern auch verstanden fühlt.
Die Bedeutung von Nuancen im Coaching
Ein Coach, der auf Nuancen achtet, weist eine emotionale Reife und Reflektionsfähigkeit auf. Er kann auf subtile Weise tiefere Schichten des Anliegens erkennen. Dieser Coach ist fähig auf die verborgenen Emotionen, Blockaden und inneren Konflikte seiner Coachees einzugehen. Ein guter Coach erarbeitet sich solche Fähigkeiten in eigenen Supervisions- und Coachingstunden, wo er seine Werte, Haltungen, Handlungen und Kommunikationsmuster reflektiert und sich von aussen ein Feedback geben zu lassen. Diese Form von Qualitätssicherung ermöglicht es dem Coach, sich fortlaufend zu verbessern, damit er sich voll und ganz auf dem Coachingprozess einlassen kann. Dieser feine, energetische Austausch (paraverbale und nonverbale Ebene) sind spür sowie erkennbar. Sie sind entscheidend, um Vertrauen und Nähe zu schaffen, was wiederum den Coachee ermutigt, sich vollständig zu öffnen und selbst Erkenntnisse zu gewinnen.
Der Coach und sein Ego: Die Kunst der Zurücknahme
Damit ein Coach auf diese feinen Nuancen wirklich eingehen kann, ist es wichtig, dass er sich selbst und sein "Ego" zurücknimmt. Das bedeutet, dieser steht nicht mit seiner eigenen Meinung oder den Erfahrungen im Vordergrund. Ein guter Coach lässt dem Coachee Raum, sich selbst zu entdecken. Dies kann herausfordernd sein, vor allem, wenn der Coach einen starken eigenen Willen oder eine klare Vorstellung davon hat, was der Coachee möglicherweise "braucht".
Welche Voraussetzung müssen zum Gelingen gegeben sein?
- Selbstreflexion und Achtsamkeit : Ein guter Coach muss sich seiner eigenen Neigungen und Vorurteile bewusst sein. In eigenem Coaching oder in Supervisionsstunden, wird er daran arbeiten, nicht sofort zu urteilen oder sich zu schnell in den Vordergrund zu drängen. Vom Experten bekommt der Coach möglicherweise den Spiegelvorgehalten und die Wahrheit mitgeteilt, damit er möglicherweise in die Verhaltensänderung kommen kann. Durch regelmässige begleitete Selbstreflexion und Achtsamkeit wird ein professioneller Coach lernen, seine eigenen Gedanken, Muster, Emotionen sowie Reaktionen wahrzunehmen, ohne sich von ihnen leiten zu lassen.
- Eine dienende Haltung : Im Coaching geht es nicht darum, dass der Coach "Recht" hat oder die "beste Lösung" präsentiert, sondern dass er den Coachee dabei unterstützt, eigene Antworten sowie Lösungen zu finden. Eine dienende Haltung zu pflegen bedeutet, das Wohlergehen und die Entwicklung des Coachees in den Vordergrund zu stellen.
- Präsenz und offenes Zuhören : Wirklich präsent zu sein und aktiv zuzuhören erfordert, das eigene "Ego" loszulassen. Ein guter Coach hört nicht nur zu, um zu antworten, sondern um zu verstehen, zu fühlen. Dies ohne vorgefasste Meinungen, Interpretationen und Ratschläge erteilen zu wollen.
- Supervision und Weiterentwicklung: Der Austausch mit anderen Coaches (auf Tagungen, Weiterbildungen oder in Intervisionsgruppen) sichern zusätzlich die fachliche Expertise. Die regelmässige Supervisionsstunden oder "Coach the Coach"- Einheiten, sind wertvolle Werkzeuge, um zu erkennen, wann die eigene Ich-Bezogenheit/ die eigene Wichtigtuerei dem Coach, im Coaching im Weg stehen. Fachliches Feedback hilft, blinde Flecken zu erkennen und die eigene Praxis stetig zu verbessern.
- Bescheidenheit kultivieren : Ein Coach, der bescheiden bleibt, versteht, dass jeder Coachee einzigartig ist. Ihm ist bewusst, dass er nicht immer alle Antworten hat oder mit dem was der Coachee tut einverstanden sein muss. Der Coachee bestimmt immer, was mit ihm geschieht und welche Methoden zum Einsatz kommen dürfen. Er ist der Experte seiner Probleme. Diese bewusste Haltung verhindert beim Coach Überheblichkeit und stärkt die Authentizität.
Fazit
Ein Coach, der es schafft, sich zurückzunehmen und das eigene "Ego" im Zaum zu halten, öffnet einen Raum, in dem sich Coachees sicher und verstanden fühlen können. Durch das Erkennen sowie Ansprechen von Nuancen im Gespräch gibt er dem Coachee die Möglichkeit, sich tiefer mit seinen eigenen Gefühlen, Verhaltensmuster, Erfahrungen und Gedanken auseinanderzusetzen. Nur so kann er zu eigenen Erkenntnissen, persönlichen Einsichten und Lösungen kommen. In diesem Prozess liegt die wahre Magie des Coachings – der Coach ist nur der Begleiter, nicht der Held.
Übungsbeispiele:
Übung aus der Gestalttherapie: "Die zwei Stühle"Der Coachee bekommt zwei Stühle zur Auswahl: einen für sich selbst und einen für die "innere Stimme" oder für die unangenehme Situation/Person, mit der er einen Konflikt hat. Der Coachee kann aus beiden Perspektiven sprechen, während der Coach präsent bleibt. Er wird wahrnehmen, sich ggf. Notizen machen und einfach beobachten, ohne einzugreifen. Dies schafft einen Raum, in dem der Coachee innere Konflikte und eigene Projektionen erkunden kann, ohne den Einfluss des Coaches zu spüren. Im Anschluss wird er diese Erfahrungen mit dem Coach bearbeiten sowie reflektieren. Wenn der Coachee bereit dazu ist, wird der Coach ihm seine Beobachtungen und sein Feedback mitteilen.
Übung aus der Systemaufstellung: "Der stille Beobachter"Der Coach positioniert sich im Raum als stiller Beobachter, während der Coachee in verschiedenen Rollen spricht (z.B. als sein eigener Kritiker, sein unterstützendes Ich, seine Wünsche oder Ängste). Durch die Rolle des stillen Beobachters lernt der Coach, sich zurückzunehmen und die Dynamik der Selbstreflexion des Coachees ungestört fliessen zu lassen. Dieser kann so eigene Lösungen entdecken und sein inneres System besser verstehen lernen.
Übung aus dem Rollentheater: "Der Spiegel"
In dieser Übung spielt der Coach wortlos das "Spiegelbild" des Coachees, indem er dessen Bewegungen und Ausdrucksweise sanft widerspiegelt. Diese nonverbale Übung hilft dem Coach, sich in die Rolle des passiven Unterstützers zu versetzen, und gibt dem Coachee die Möglichkeit, sich selbst aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Der Coach beobachtet, ohne einzugreifen, und lernt dabei, sich selbst zurückzunehmen und dem Coachee den Raum zu überlassen. Diese Übungen fördern sowohl die Selbstwahrnehmung des Coachees als auch die Fähigkeit des Coaches, eine dienende Rolle einzunehmen und sein "Ego" im Zaum zu halten. Schlussendlich geht es darum "sich im Dienst des zahlenden Coachees" zu stellen und Qualität zu liefern.